46 NACHGEFRAGT ich konnte in diesem Zuge bereits viele Dinge erfragen. Auch in Bezug auf Stellenschaffungen hat die Stadt den Kreuzchor noch einmal gestärkt. Im Laufe des ersten Jahres haben wir so neues Personal ins Team integrieren können. Insofern war es also mehr ein Gleiten, dennoch gab es – wie immer bei einem Wechsel – auch Brüche oder eben Stromschnellen. Da plötzlich so viele Dinge neu waren – neue Gesichter, neue Namen, neue Chorliteratur, neue Kirchenräume – habe ich selbstver- ständlich auch manchmal um Kondition gerungen, das bleibt nicht aus, glaube ich. Und ja, es gab auch die Wasserfälle, die glücklichen Momente, in denen man berieselt wurde und gemerkt hat: Man wird geleitet und gestärkt. So ein richtiges Niedrigwasser, dass es sich ange- fühlt hätte, als säße man auf dem Trockenen, habe ich hingegen nicht gespürt. Wodurch, würden Sie sagen, zeichnet sich Ihre Handschrift aus? Wie haben Sie die Reaktionen der Jungen darauf wahrgenommen? Natürlich ist jeder Chorleiter mit seiner Aura, seiner Ansprache, seinem Dirigat ein Individuum. Insofern glaube ich, dass es für »die Jungs« ein enormer Umstellungsprozess war, in dem sie sich auf etwas Neues eingelassen haben. Ich spüre insbe- sondere im musikalischen Bereich, dass der Chor auf kleine Gesten und Augenkontakt von mir sofort reagiert, was am An- fang vielleicht noch nicht in dem Maße geklappt hat. Außerdem kann er nun ein Bild, das ich formuliere, gleich in Klang umwan- deln. Das ist sehr erstaunlich. Die musikalischen Gewässer Dresdens sind Ihnen aus zurückliegenden Lebensphasen nicht unbekannt. Wie nehmen Sie die Stadt und ihr musikalisches Leben heute wahr, was hat sich verändert? Dresden ist aus meiner Sicht nach wie vor ein Kulturmagnet. Es ist unglaublich, welche Kontinuität hier zu beobachten ist, etwa mit Blick auf die Semperoper, die Sächsische Staatskapelle, die Dresdner Philharmonie, die Dresdner Musikfestspiele, die Schütz-Pflege, mannigfaltige Barockkonzerte, eine reiche Theaterlandschaft und vieles mehr – Dresden ist dahingehend in seiner Stabilität wirklich zu bewundern. Ich empfinde es als Privileg, in diesem kulturellen Kontext arbeiten zu dürfen. Wenn ich über Unterschiede zwischen damals und heute nach- denke, kommen mir vor allem die spürbaren gesellschaftlichen